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SECURAM IT-Security-Glossar

Definition:

Alert Fatigue


Alert Fatigue (deutsch: Alarmmüdigkeit) bezeichnet die Abstumpfung gegenüber Sicherheitswarnungen, wenn Teams mit sehr vielen, teils irrelevanten oder falsch-positiven Alarmen konfrontiert sind. Sie beschreibt einen menschlich-operativen Effekt in SOC/NOC-Prozessen: Warnungen werden verzögert bearbeitet, übersehen oder ignoriert, wodurch echte Vorfälle länger unentdeckt bleiben. Der Begriff ist in mehreren Domänen etabliert und lässt sich fundiert auf die IT-Sicherheit übertragen [Q1].

Hintergrund und Entstehung

Der Begriff stammt aus sicherheitskritischen Bereichen wie dem Gesundheitswesen: Häufige, oft unkritische Alarme führen zur Desensibilisierung. Dieses Phänomen ist auf Security Operations Center (SOC) übertragbar, in denen SIEM-, IDS/IPS-, EDR- und Cloud-Plattformen große Mengen an Benachrichtigungen erzeugen [Q1].

Mit zunehmender Digitalisierung, Hybrid- und Multi-Cloud-Infrastrukturen sowie einer gewachsenen Tool-Landschaft stieg die Warnlast in Unternehmen deutlich. Europäische Leitfäden empfehlen professionalisierte SOC-Prozesse, klare Rollen und gezielte Automatisierung, um Signale strukturiert zu verarbeiten und Überlast zu vermeiden [Q3].

In Deutschland adressiert das BSI die operative Detektion über Systeme zur Angriffserkennung (SzA) und flankierende Grundschutz-Bausteine. Ziel ist es, Detektion und Reaktion messbar zu verbessern, Fehlalarme zu reduzieren und Prozesse auditfest zu gestalten [Q5].

Wichtigste Merkmale und Kernelemente

Ursachenbündel statt Einzelproblem:
Alert Fatigue entsteht durch hohe Alarmmengen, unzureichende Priorisierung, doppelte, redundante Meldungen, fehlende Korrelation und unreife Triage-Workflows. Wirksam ist die Kombination aus Use-Case-Pflege, Suppression/De-Duplication und Kontextanreicherung [Q2].

Menschlich-operative Wirkung:
Überlastete Analystinnen und Analysten werden unaufmerksam, verschieben oder ignorieren Warnungen, senken Schwellenwerte oder deaktivieren Benachrichtigungen. Forschung zu „Sicherheitserschöpfung“ und Praxisberichte zeigen, dass so echte Vorfälle leichter übersehen werden [Q4].

Bezug zur SOC-Architektur:
Viele Alarme entstehen isoliert in Teilsystemen. Leitfäden empfehlen, Signale im SIEM zu zentralisieren, Korrelation und Enrichment einzusetzen und über SOAR nachvollziehbare Playbooks auszulösen, statt unkoordiniert auf Einzelsignale zu reagieren [Q2].

Regulatorisch-methodische Einbettung (DACH/EU):
Die BSI-Orientierungshilfe zu SzA und Grundschutz-Vorgaben betont Ereignisklassen, Prioritäten, Meldewege und Wirksamkeitsprüfungen – Grundlagen, um Fehlalarmquoten und damit Alert Fatigue zu senken [Q5].

Bedeutung für Unternehmen und Praxis

Für CISOs im DACH-Raum ist Alert Fatigue ein Risiko für die Wirksamkeit von Detektion und Incident Response. Hohe Alarmlasten verlängern die Mean Time to Triage (MTTT) und die Mean Time to Respond (MTTR) und begünstigen Überforderung sowie Fluktuation in SOC-Teams. Offizielle Leitfäden empfehlen Governance-Maßnahmen, klare Verantwortlichkeiten und gezielte Automatisierung an definierten Prozessstellen [Q2].

Technisch wirksame Maßnahmen sind unter anderem zentralisierte Korrelation (SIEM), risikobasierte Priorisierung, Suppression/De-Duplication, Schwellenwert-Tuning und Closed-Loop-Automatisierung über SOAR. Leitfäden von CISA und ENISA beschreiben Rollenmodelle, Playbooks und Integrationspunkte entlang des Implementierungslebenszyklus [Q2], [Q3].

Für regulierte Betreiber (zum Beispiel KRITIS) liefern die BSI-Dokumente zur SzA konkrete Anhaltspunkte – von Ereignisklassen über Meldewege bis zur Wirksamkeitsprüfung. So lassen sich Fehlalarme strukturiert reduzieren und Prüfanforderungen sicher erfüllen [Q5].

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

Alert Fatigue vs. Security Fatigue:
Security Fatigue beschreibt die generelle Erschöpfung von Nutzenden durch zu viele Sicherheitsentscheidungen im Alltag. Alert Fatigue fokussiert dagegen auf operative Warnmeldungen in SOC/NOC-Prozessen. Beide Phänomene beeinflussen Verhalten, wirken jedoch auf unterschiedlichen Ebenen [Q4].

Alert Fatigue vs. False-Positive-Rate:
Die False-Positive-Rate misst unzutreffende Alarme. Alert Fatigue ist die Folge hoher – auch legitimer – Alarmmengen plus schwacher Priorisierung. Die Reduktion von False Positives ist wichtig, reicht aber ohne klaren Workflow, Ownership und Automatisierung nicht aus [Q2].

Beispiele aus der Praxis

Beispiel 1: Finanzdienstleister, Hybrid-Cloud
Das SOC erhielt >10.000 Alarme pro Woche aus SIEM, EDR und Cloud-Diensten. Durch Use-Case-Review, De-Duplication, Schwellenwert-Tuning und risikobasierte Priorisierung sank das Volumen der Level-1-Triage deutlich. Ein SOAR-Playbook schloss Low-Fidelity-Alerts automatisch und erzeugte bei hoher Confidence Tickets mit Kontext. Ergebnis: weniger Rauschen und schnellere Bearbeitung [Q2].

Beispiel 2: KRITIS-Betreiber (Energie)
Im Zuge der SzA-Einführung wurden Ereignisklassen definiert, Korrelation aufgebaut und die Alarmierung mit festen Meldewegen verknüpft. Ergebnis: bessere Signal-to-Noise Ratio, geringere On-Call-Belastung und verbesserte Nachweisführung gegenüber Prüfinstanzen [Q5].

Häufig gestellte Fragen

Was versteht man unter Alert Fatigue?
Alert Fatigue ist die Desensibilisierung gegenüber Warnmeldungen durch eine übermäßige Anzahl an Alarmen. In der Folge werden Meldungen verspätet bearbeitet oder übersehen. Das Phänomen ist in sicherheitskritischen Domänen dokumentiert und lässt sich auf Cyber-Sicherheitsoperationen übertragen [Q1].

Was verursacht Alert Fatigue im SOC?
Typische Treiber sind zu viele, doppelte oder wenig belastbare Alarme, fehlende Korrelation und Priorisierung sowie unreife Triage-Prozesse. Abhilfe schaffen getunte Use-Cases, Kontextanreicherung sowie SIEM/SOAR-basierte Playbooks [Q2].

Wie lässt sich Alert Fatigue reduzieren?
Kombinieren Sie Governance und Engineering: Use-Cases überprüfen, Duplikate unterdrücken, Alarme anreichern, risikobasiert priorisieren und wohldefinierte Schritte automatisieren. Folgen Sie anerkannten Leitfäden zur SIEM/SOAR-Einführung und SOC-Organisation [Q2], [Q3].

Ist Alert Fatigue dasselbe wie Security Fatigue?
Nein. Security Fatigue betrifft die Erschöpfung von Endnutzenden durch zu viele Sicherheitsentscheidungen. Alert Fatigue adressiert die Überlastung von Operatoren durch operative Alarme. Beide sind verwandt, aber unterschiedlich gelagert [Q4].

Siehe auch

Verwandte Glossarbegriffe:
Security Information and Event Management (SIEM)
Security Orchestration, Automation and Response (SOAR)
Endpoint Detection & Response (EDR)
False Positive
Incident Response
Use-Case (Detection Use-Case)
NIS-2-Richtlinie
Systeme zur Angriffserkennung (SzA)

Offizielle Ressourcen:
ENISA: How to set up CSIRT and SOC (Rollen, Prozesse) [Q3]
CISA: Guidance for SIEM and SOAR Implementation [Q2]
BSI: Orientierungshilfe zum Einsatz von Systemen zur Angriffserkennung (SzA) [Q5]

Quellen
[Q1] Alarm fatigue, Wikipedia, https://en.wikipedia.org/wiki/Alarm_fatigue, Abrufdatum: 05.11.2025.
[Q2] CISA: Guidance for SIEM and SOAR Implementation, https://www.cisa.gov/resources-tools/resources/guidance-siem-and-soar-implementation, Abrufdatum: 05.11.2025.
[Q3] ENISA: How to set up CSIRT and SOC, https://www.enisa.europa.eu/publications/how-to-set-up-csirt-and-soc, Abrufdatum: 05.11.2025.
[Q4] NIST: Security Fatigue, https://www.nist.gov/news-events/news/2016/10/security-fatigue-can-cause-computer-users-feel-hopeless-and-act-recklessly, Abrufdatum: 05.11.2025.
[Q5] BSI: Orientierungshilfe zum Einsatz von Systemen zur Angriffserkennung (SzA), PDF, https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/KRITIS/oh-sza.pdf, Abrufdatum: 05.11.2025.